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Ein Akt der Bekenntnisse

Kirchentag


Heute Morgen in den Spiegel geschaut hat sich wieder einmal die ganze nackte Wahrheit offenbart. Wo einst die Hüften ihren Schwung bekamen die überlebenswichtigen Polster geknetet, den Po massiert und die welligen Falten unter den Armen gekniffen, unter den Augenlidern rundum die Kinnbäckchen begutachtet und den Hals gestrafft, weisen die ältlichen Jahre auf anberaumte Versammlungen, auf ungezählte ruhelose Nächte und sättigende Freuden, und eben auf den Menschen seiner Zeit.
Aber bitte kein Wort des Mitleids darum, denn um jung zu bleiben, in der Innenbeschau sowie erkenntlich nach außen getragen, um nicht ersichtlich alternden Tagen nachzutrauern, ist uns jeden Morgen dennoch ein Neubeginn ermöglicht. Müssen wir weder knechten noch frönen und ist von mir mit spöttischem Blick zum Selbstbildnis im Spiegel gegenüber ein Besuch in den Museen der Künste empfohlen.

Brave Bildnisse der durchwanderten Weltanschauung gibt es dort im naturnahen Biedermeier zu durchwandern. Durch ausschweifende Formenbögen der Romantik gegangen bis in den verzweigten Jugendstil sind die Sinne zu täuschen. Und geschaut in allen Farben wird die über alles bisherige hinausgehende Moderne vorgezeigt. Aber auch ein sinnlicher Blick in die hohen Häuser der Kirchen empfiehlt sich, denn ihre Formenkünste zumeist der Renaissance verstanden sich nicht weniger ansehnlich, wenngleich die verhüllten Erzengel und kindlichen Nackedeis nun mehr eine Gestaltenwandlung des Eros hinauf in den Olymp vermuten lassen.
Denn zu sehen ist zum Trost des Wandels, was wir tunlichst zu verbergen suchen in unseren späten Tagen. Umgeben von knackigen Hintern muskulöser Kerle und wollüstigen Becken der einladenden Jungfern sind barocke Hallen zeitliche Künste der Schöpfung und im Nebengelass die antiken Schmuckstücke der Männer dort zumeist unscheinbar klein und dezent gehalten. Zieren sich gar die unschuldigen Brüste des Rokoko scheinbar in ewiger Unnahbarkeit und lässt sich offensichtlich eine ewige Sehnsucht erahnen, mit der wir uns wieder in unseren Jugendjahren befinden.

Nach den durstigen Tagen der Trockenheit überall im Lande, in Nürnberg durch und durch überregnet und viefach gesegnet auf dem Kirchentag, auf dem wie zum Trotz der vielfach gemalten männlichen Begierden und fraulichen Schönheiten mit ihren zeitlichen Gebrechen, jung wie alt vom Leben (aus)gezeichnet der Himmel dem heutigen Jedermann seine Schleusen eröffnete, werden wir Frohnaturen des zeitweiligen Bedauerns uns in freudigen Erinnerungen nach allem Kunstgenuß, wieder täglichen Problemen der Gegenwart zuwenden. Deren wir noch etliche zu lösen haben, um irgendwann in gutem Glauben erlöst zu sein.

Ihnen somit einen genußvollen Wandel durch die Kulturen
Andreas H. Scheibner