Von Bürgern und Bauern
Unser Bürgertum ist schon ein wenig in die Jahre gekommen. Lief doch vor kurzem erst ein Spielfilm in Starbesetzung in den Kinos, der in dramatischen Bildern den schnellen Verlauf eines rasanten politischen Lebens über wenige Jahrzehnte zeichnete. Napoleons Kriege, die in den vernichtenden Schlachten quer durch ganz Europa die damalige Zeit bestimmten, forderten in wenigen Jahren den Geografien ungezählte Menschenleben.
Die heutige Zeit wiederum berichtet von den verlustreichen Geschehen im Osten der europäischen Länder und von andauernden elenden Kriegstagen seit etlichen Jahren in arabischen Staaten. Deren Auswirkungen und Folgen auch mitten in Europas Gegenwart zu verspüren sind.
Gravierende Folgen und die verlangten Anpassungen im Volk des selbst gekrönten Hauptes von Napoleon gab es auch in der Besatzung fürstlicher Machtstrukturen der Monarchien in Europas. Das Bürgertum, wie es in der langen Reihe vor der Guillotine mit der französischen Revolution verlangt wurde, hielt Einzug in die Verwaltungen und in der Neuordnung mit Gesetzgebungen in Napoleons Eroberungen. Die Menschen bekamen gesetzlich eine Freiheit zugestanden aus ihren abhängigen Verhältnissen von landwirtschaftlichen Gütern, in denen sie bis dahin persönliches Eigentum der Landesherren gewesen waren, und in der Umverteilung und Umformung der Gebiete fortan die Möglichkeit zu eigenem Besitz von Land zur Bewirtschaftung.
Sie wurden freie Bauern ohne Fronarbeit und frei ohne Knechtschaft. In den Städten und Gemeinden konnte ein jeder Mann und jede Frau in einem Bürgerrat um Recht und Unrecht Klage erheben und sich zum Alltag beraten lassen. Und die gesamte empirische Bürokratie wurde in der Hierarchie zugunsten der Bürger dezentralisiert
Napoleon verlor mit getreuen Mannen seine letzte Schlacht bei Leipzig in der Völkerschlacht des Rheinbundes der Länder 1812. Die Fürsten verlangten nach ihren alten Vorrechten und die Bürgerversammlung in Frankfurt die Mitbestimmung an der Regierung in der neu entdeckten Nationalität des Volkes, der ersten Nationalversammlung. Es kam zur kleinen Revolution der ersten Anführer, zu den Erklärungen in der Frankfurter Paulskirche im Herzogtum Hessen. Zu den bekannten Farben der deutschen Fahne, den Gedichten des Hoffmann von Fallersleben und mit einer Melodie Joseph Haydns mit Gesang zur heutigen Hymne.
Auch die Bauern sangen ihr Lied der Freiheit im Text des alten Bundschuhbundes. 'Bin ich doch frei, und niemandes Knecht und niemandes Herr!' Und versammeln sich in unseren Tagen die Traktoren der Bauern und Landwirte Deutschlands und Frankreichs zu abendlichen Spektakeln im Scheinwerferlicht ihrer Fahrzeuge um eine Kürzung ihrer Bezüge und Begünstigungen. In historischen Zeiten Bismarks hätte man dies eine konspirative Versammlung und Landfriedensbruch bezeichnet und mit Gewalt aufgelöst..
Bismark, der preußische König- und Kaisermacher, dessen Standbild vor Ort vielfach gerühmt wurde, setzte nach wenigen Jahrzehnten der kleinen Revolution und bürgerlichen Versammlung in der Paulskirche im März 1848, die Junker der Fürstenhäuser in den Besitztümern des Reiches wieder in ihre vorherigen Ermächtigungen des Besitzes ein, und die Bauern verloren ihre zugestandenen freiheitlichen Rechte wiederum. Nur die Leibeigenschaft wurde nicht wieder eingeführt.
Die Revolution des freien Bürgertums gegen die autokratische Vorherrschaft der Fürstenhäuser war zunächst beendet. Übrig blieben die veränderten Strukturen der Verwaltungen und ein in allen deutschen Ländern beachtetes Dezimalsystem in den linearen Berechnungen von Feld und Flur, in Mathematik und Tauschhandel. Sogar die Standeskirchen bekamen nun ihren Zehnten und zu ihren Ländereien ihren Anteil am Ergebnis der Volkswirtschaft.
Die einstige Freiheit kaum gekostet verpflichteten sich nun die Bürger in Land und Stadt zur Karriere am Staatswesen, denn freiheitlich selbstbewußt von Napoleon entlastet hatte sich Preußen in allem Eifer militärisch vielfach überlegen technisch gerüstet. Und konnte einer ihrer einfachen Bürger als Staatsmann bezeichnet wenig später in die Einigungskriege des preußischen Königs um Bayern und Dänemark, um die königliche Vorherrschaft in Europa gegen Österreich und Frankreich in die Kriege ziehen. Und die Kirche als freie Missionsgesellschaften in die eroberten Kolonien, um dort die schwarzen 'Wilden' zu Christenmenschen zu reformieren.
Ihnen folgte der Handel nach, um die erbeuteten Schätze dieser Völker mit den Ressourcen von Holz und Edelmetallen nach Europa zu exportieren. Es entstanden Kuriosenjahrmärkte mit dem Importen und die bekannten Kolonialwarenhändler in den deutschen Städten mit ihren sonderlichen jungen Früchten, Untertanen die mit Bismarck nach dem Hoch, Hoch, Hoch der Kaiserkrönung auf ihre Abenteuer zusteuerten und nach allem Schmach letzten Endes einem heute bürgerlichen Europa den Weg bereiteten.
Der erwünschte Frieden fernab jener Kriege aber war immer nur eine zeitweilige Phase der jeweiligen Lebenszeit eines jeden, in der es genügend Arbeit, genügend zu Essen und in der Abwechslung die Aussicht auf eine bessere Entwicklung des eigenen Daseins in eine friedliche sorgenfreie Zukunft gab. Bis der nächste Krieg seine dunklen Schatten über die sorgsam eingehegte und gerichtete Ordnung der Gemeinschaft warf und er alle ihre Hoffnungen zunichtemachte.
A.H.S.