Der Torwart vor dem Elfmeter
Mögen Sie Fußball? Nicht? Kaum zu glauben, denn fast ein jeder danach gefragt ist nach wenigen Minuten der Übertragungen begeistert von den 20 Männern auf dem Spielfeld die einem einzigen Ball nachlaufen. Und zucken im heimischen Sessel zugeschaut unwillkürlich die wippenden Fußspitzen in den Queren und Torschüssen auf den parierenden Torwart und in aufgeregte Gesten der Mitsprache zu dramatischen Momenten, in denen man am liebsten dort unten dabei sein würde. Als Kinder nannten wir den beliebten Volkssport mit einem ziemlich zerrupften Lederrund noch bosseln oder bolzen.
Als jüngere Helden war ein neuerer Ball dann wie gewünscht zum Geburtstag bald darauf schon sehr in den Mannschaften der Jungen des Bezirks umkämpft. Jede freie Minute auf dem Dorfanger, dem Sport- und Bolzplatz und bei jedem Wetter, gingen die willkürlich zusammengefundenen Parteien vor magischen Pfosten im Stoppen, Hakeln und Pässe geben auf nähere Tuchfühlung.
Geschwollene Augenbrauen, ein paar ehrliche Beulen, verstauchte Gelenke und Schürfwunden am ganzen Körper trug man wie Trophäen nach Hause. Gewonnen zu haben diesen Tag bedeutete einfach alles, und konnte nichts aber auch gar nichts in den mahnenden Worten der Eltern daran ändern.
Als späterer Zuschauer auf den Tribünen, in den Kurven und Rängen waren dann die Abseitsfallen, Kapriolen der entfernten Männeken dort unten nur noch schmuckes Beiwerk, die hoch und niedergehenden Wellen der Begeisterung dafür umso mehr zur Einstimmung ein Erlebnis. Nur am Ausgang vom Stadion dann hatte man sich inmitten der Menge sorglich in acht zu nehmen, den Böllern entkommen und als verlorener Verein gleichwie als siegreicher Titelverteidiger möglichst unauffällig davon zu machen. Jedenfalls in späteren Jahren und mit dem eigenen Söhnchen an der Hand. Denn ein anderer Volkssport der Prügelknaben wollte in den öffentlichen Rangeleien politisch nicht immer verstanden werden.
Weltweit verbreitet ist Fussball in den Gettos, Favelas und Downtowns überall ein wenig wie manche örtliche Politik, und interessanterweise aus dem antiken Mexiko importiert als sogenannte 'Sockets' erst seit wenigen Jahren auch drüben im Atlantik ein beliebter Sport, der an der Weltmeisterschaft teilnimmt. Den Zuschauern geopfert werden nur noch die tanzenden Jungfrauen auf dem Rasen vor jedem Spiel, es sei denn sie treten selbst den Ball für ihre Mannschaft.
Während hier bei uns in den aufgestellten Reihen der kleinsten und untersten Vereinsmeier auf den Tribühnen gleichviel die obersten Ligen beobachtet werden, und auf Hinterhöfen in den Schulpausen zuweilen der Basketball zielgeübt an die Wand geworfen wird, kennen so richtige Fans die Stürmer und Läufer, und Anzahl ihrer Tore, die Verteidiger die den mittlerweile bunten Ball aus unmöglichsten Situationen herausspielen beim Namen. Sie verehren sie nahezu mit körperlichen Schmerzen und unter Tränen in getauschten Sammelkarten, Wimpeln und Emblemen. Von denen schon mal eine kleine Serie eines weniger beliebten Vereins gegen den begehrten und noch fehlenden Torwart eingewechselt wird. Also mit dem Geldgeschäft für jeden jungen Spieler fast ein wenig wie in versammelten Politikmannschaften, sobald sich einer der Volkshelden dazu entschließen kann die Seiten zu wechseln.
Internationaler Sport ist heute zum Spiel in vollen Stadien eine Frage der Finanzen die keine Grenzen mehr kennt. Aus Afrika kommen die jüngsten Talente zur Regionalliga nach Berlin oder Bremen importiert. Während die einen ihre Kegel aufstellen, neben Skat, dem weitere Volkssport der Deutschen, andere lieber eine Runde extra laufen und manche Millionen in der Weltmeisterschaft des Pokern gewinnen, die zu lesen nach Berlin gingen, liegen die Karten der eingekauften und wieder verkauften tapferen Mannen des Millionenspiels auf den Tischen der Unterhändler. Die Druckerpressen kommen mit rotierenden Spielern auf Sammelkärtchen in Neuzugängen der Spielertalente aus aller Welt kaum noch nach.
Überaus begehrt waren einst der überragende Ballkünstler Pelé in Brasilien, der zur sportlichen Entwicklung kritische Paul Breitner und der umworbene Kaiser Franz Beckenbauer von Bayern München, die schon längste Siegesjahre aller Ligen bestreiten. In ersten Jahren des Fussballs nach dem Weltkrieg der erlösende Uwe aus Hamburg und in den Exzessen ein sensationeller Diego Maradona mit Tiefgang in Italien bei den etlichen anderen Herren, zu denen sich künftig die Damen der Mannschaften gesellen. Etliche grazile Meister:innen dieses Sportes sind bereits im himmlischen Olymp der Chroniken, einige machen Werbung für die Krebsvorsorge und lenken sonst den Heimatverein und Nachwuchs. Denn zu allem kapitalen Business ist uns erstaunlich diese Spielart, mit den ersten Schritten von der Wiege des Krabbelkindes im Wohnzimmer bis zum Eigentor einem schnellen Ball nachgelaufen, immer geblieben. Gedribbelt und um alle Hindernisse fast ein wenig wie mancher Lebenslauf.
A.H.S.