'Willkommen zum Espresso bei Aktuelles'



Angerichtet, und umgerührt ....



Der Philosoph am Nebentisch

So gelegentlich fehlen unserem Bistro die Worte. Doch fahren wir dann zum Kirchentag und schwebte uns plötzlich in der Kaffeestube ein dickes Buch vor der Brille, über welches sich ins Gespräch kommen ließe. 'Philosophie und Ethik', ein ganz neuzeitlich gehaltener Titel. Dieses offensichtlich aber nur zum Vorwand des Gastgebers Ernst Bloch, um den Mitleser am Tisch aus seinem Schneckengehäuse zu locken.
Immerhin wurde der Espresso heute im Kreise herum auf die Schulbank des Schulwissens serviert, wer artig dem gelesenen Vortrag des Herrn Lämpel in einer Wilhelm Busch Episode bis zum Ende 'mit der Moral von der Geschicht..' ohne Gegenrede zu lauschen hatte.
Gesellte sich in einer Abfolge von der Länge einer Quarkschnitte der Christian Wolff zu uns an den Tisch. Etwas erschöpft aus Leibzig soeben eingetroffen.
Kurz zuvor hatte der alte Kaiser Friedrich noch eben vom Türspalt blickend hereingerufen, es möge doch ein jeder nach seiner eigenen Facon selig werden. War einschränkend mit solcher Philosophie salutierend sogleich ein anwesender Militärberater aufgesprungen,
»Nur wenn es dem Kaiser gefiele!« Wie denn auch viele Bürger des Preussen ihm vermutlich bereits diesen ›Gefallen‹ tun würden, um irgend etwas zu tun.
Hatte der sternenkundige Schullehrer Kant zur Pause anwesend sich ein Pfeifchen mitzutun vorgehabt, doch schmeckte ihm offensichtlich der Tabak nicht und kritisierte er die Mischung des strengen Krautes in der Dose, bevor er die Runde verließ.
»Wenn ein solcher nicht von edler Art ist, welcher Art könnte dann wohl ein solcher sein?«, ließ er verlauten.
»Macht nichts, macht nichts, machen wir alles neu!«, eilte sich Karl Marx zu sagen. »Auf dem Balkon der Börse wachsen heute die besten Kapitalisten heran. Man muß sie nur gut füttern!«
An der Runde nebenan beteiligte sich daraufhin Fritz Weber mit erhobenem Zeigefinger, »Aber nur, wenn sie schön fromm sind. Sonst gibt’s nix!«
»Na, na, wenn das man gut geht?.«, rührte sich Friedrich Nitsche aus einer Ecke, »Denn die Stärksten sind doch die, die am Wenigsten haben.«
Woraufhin ich mir mit fragendem Blick ein rundes Spiegelei auf Toast bestellte, und die große Dame, Frau Jaspers neben mir sich ein Eiscreme. »Also mein Mann würde kategorisch solches Wort ablehnen, ist doch das schwache Geschlecht damit gemeint.«, wonach ihr alle Herren am Tisch den Beifall erwiesen.
Und ihr Fräulein Hanna Arendt, eine junge Frau von gegenüber beipflichtete, »Also ich meine ja, so einen starken Urian, den hat doch ein jeder Mensch in sich.«, und sich die Runde am Tisch ein Lächeln nicht verkneifen konnte.
»Also wirklich!« wandte Karl Popper mit ernster Mine ein, der neben ihr gesessen war,
»Wenn ich Sie nun beim Wort nehmen würde, denn die Moral von der Geschichte ist doch, nicht von sich sogleich auf andere zu schließen, nicht wahr?«
Und Herr Waldorf, der verträumt sich aufrichtete, und versehentlich in einer weiten ausholenden Geste 'Mit mehr Geist betrachtet.' klirrend den Salatlöffel fallen ließ. Emilie aber, der etwas schwächliche, fast erwachsene Junge von Herrn Rousseau ihn behilflich von unter dem Tisch aufhob.
»Genau darum, bin ich ganz ihrer Meinung um nichts zu überstürzen, sondern die Angelegenheit ganz in Ruhe betrachten.« mischte sich nun Herr Strauss ein. Dem beifällig hierzu der Seitenblick von Frau Nobel gewiß war.
»Nun etwas Glück gehört schon dazu,«, erhielt ich neulich erst den Brief von Herrn Seneca aus Rom, meldete sich die junge Tochter des Theologen Hans Bahr und der junge Mann, Herr Watzlawick, nickte beifällig an ihrer Seite. »Es ist ja schließlich keine Katastrophe.«
»Und zudem sehr gesund!« pflichtete Albert Schweizer dem junge Paar mit einem gefälligen Lächeln bei.
»Wie wir es auch sehen wollen, bleibt die Moral solcher Zweisamkeit doch eines jeden eigene Ansichtssache.«, wandte nun Herr Buber von gegenüber ein und schaute fragend zum Ende des Tisches. Oder was meinen Sie?
»Immer, und wie ich schon sagte, ...«, meinte zögernd nun ein schon etwas älterer Herr mit weißem, wallendem Bart, der bisher geschwiegen hatte. » ... trägt ein jeder letztlich doch des andern Last!«
Wonach ich zeitlich um Vergebung nachsuchte, mich höflich zu einem Termin entschuldigte und den Wirt um meine Rechnung bat.

Seid darum guter Dinge, bis zum nächsten Kirchentag in Berlin,
den ihr mit Freude bereitet, unter freundlichem Himmelsblau,
und vor allem, ' Bleibt friedlich. '

Andreas H. Scheibner